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Realsplitting – und der bereits bestandskräftige Einkommensteuerbescheid

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Ein erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings ist kein rückwirkendes Ereignis, wenn die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers dem Geber bereits vor Eintritt der Bestandskraft vorlag.

Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob ein Ereignis ausnahmsweise steuerlich in die Vergangenheit zurückwirkt, richtet sich allein nach den Normen des jeweils einschlägigen materiellen Steuerrechts. Es muss ein Bedürfnis bestehen, eine schon bestandskräftig getroffene Regelung an die nachträgliche Sachverhaltsänderung anzupassen.

Räumt das Gesetz dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein, dessen Ausübung keiner ausdrücklichen zeitlichen Begrenzung unterliegt, ergibt sich eine solche Begrenzung nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung -jedenfalls vorbehaltlich des Vorliegens besonderer Ausnahmekonstellationen- gleichwohl durch das allgemeine verfahrensrechtliche Institut der Bestandskraft.

Die von der Rechtsprechung bisher angenommenen Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in aller Regel dadurch gekennzeichnet, dass zumindest bei einer übergreifenden Betrachtung noch keine vollständige Bestandskraft eingetreten war (ein Antrag auf getrennte Veranlagung, den ein Ehegatte vor Bestandskraft des ihm gegenüber ergangenen Zusammenveranlagungsbescheids stellt, ist für den anderen Ehegatten als rückwirkendes Ereignis anzusehen; die Erklärung des Schenkers, den schenkungsteuerrechtlichen Freibetrag für Betriebsvermögen in Anspruch nehmen zu wollen, ist dann ein rückwirkendes Ereignis, wenn die Schenkungsteuerfestsetzung hinsichtlich des Betriebsvermögens noch vorläufig ist; anders jedoch: der Antrag nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG des Grunderwerbsteuergesetzes auf Anwendung des ab dem 1.01.1983 geltenden Rechts auf Erwerbsvorgänge vor diesem Stichtag stellt auch dann ein rückwirkendes Ereignis dar, wenn nicht nur die Grunderwerbsteuerfestsetzung, sondern auch die Festsetzung einer Nachsteuer bereits bestandskräftig geworden ist).

Eine solche Ausnahmekonstellation hat der Bundesfinanzhof im Urteil in BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957 in Bezug auf das Realsplitting auch für den Fall bejaht, dass erst nach Eintritt der Bestandskraft des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids sowohl die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltsleistungen erteilt als auch der Antrag des Gebers gestellt wurde (ebenso bei der Übertragung des Kinderfreibetrags, wenn sowohl Antrag als auch Zustimmung erst nach Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids vorliegen).

Der Bundesfinanzhof hat in dieser Entscheidung ausgeführt, der Antrag sei nicht nur Verfahrenshandlung, sondern in sachlich untrennbarem Zusammenhang mit der Zustimmung des Empfängers selbst Merkmal des gesetzlichen Tatbestands und wirke in dieser Eigenschaft unmittelbar rechtsgestaltend und nachträglich auf die Steuerschuld ein. Antrag und Zustimmung dürften nicht losgelöst voneinander beurteilt werden.

Diese Ausführungen könnten -bei isolierter Betrachtung- dafür sprechen, dass es nicht darauf ankomme, ob die Zustimmungserklärung des Empfängers im Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids bereits vorlag oder ob -wie im Fall des BFH-Urteils in BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957- beide Verfahrenserklärungen erst nachträglich abgegeben wurden.

Eine solche Betrachtung würde indes dem Umstand nicht gerecht, dass die vorstehend zitierten Ausführungen in der angeführten Entscheidung auf der Einschätzung des Bundesfinanzhofs fußen, die Rückwirkung des rechtsgestaltenden Antrags ergebe sich aus der Erwägung, die erforderliche Zustimmung des Empfängers werde in typischen Fällen erst nachträglich erteilt. Daher bestehe ein Bedürfnis, eine schon bestandskräftig gewordene Regelung an die nachträgliche Änderung des Sachverhalts anzupassen. Grundlage für diese Erwägung war die im damaligen Streitjahr (1979) geltende Rechtslage, wonach die Zustimmung keine Dauerwirkung hatte, sondern für jeden Veranlagungszeitraum erneut erteilt werden musste, was stets ein nochmaliges, auf den einzelnen Veranlagungszeitraum bezogenes Zusammenwirken des Unterhaltspflichtigen mit seinem geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten zur Erlangung der Zustimmung voraussetzte.

Demgegenüber hat die Zustimmung seit 1990 grundsätzlich Dauerwirkung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG); ein Widerruf hat nur Wirkung für Kalenderjahre, die erst nach dem Widerruf beginnen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG). Damit ist seither nicht mehr davon auszugehen, dass die Zustimmung typischerweise erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums erteilt wird. Vielmehr ist die dauerhaft wirkende Zustimmung die Regel. In einem solchen Fall besteht aber jedenfalls dann kein Bedürfnis für eine bestandskraftdurchbrechende Rückwirkung -allein- des Antrags, wenn die Zustimmungserklärung dem Geber im Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids tatsächlich bereits vorliegt. Vielmehr hat es in einer solchen -auch im vorliegenden Fall gegebenen- Sachverhaltskonstellation allein der Geber in der Hand, den durch die bereits vorliegende Zustimmungserklärung qualifizierten Antrag rechtzeitig vor Eintritt der Bestandskraft zu stellen oder nicht.

Dem steht das -zu der seit 1990 geltenden Rechtslage ergangene- BFH-Urteil vom 28.06.2006 nicht entgegen. Im dortigen Streitfall lag dem Geber zwar eine Zustimmungserklärung über einen niedrigeren Betrag vor. Erst nach Bestandskraft der Veranlagung konnte er aber eine Zustimmungserklärung über den Abzug von Unterhaltsleistungen im Umfang des gesetzlichen Höchstbetrags erlangen und einen entsprechend erweiterten Antrag stellen. Damit befindet sich ein solcher Geber -wie der XI. Bundesfinanzhof zu Recht ausführt- in derselben Situation wie ein Steuerpflichtiger, der noch gar keine Zustimmungserklärung des Empfängers erlangt hat. Mit Sachverhalten, in denen im Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft eine -auch der Höhe nach hinreichende- Zustimmungserklärung bereits vorliegt, ist dies jedoch nicht vergleichbar.

Die Auffassung des Bundesfinanzhofs steht auch nicht in Widerspruch zu der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, wonach für die Besteuerung des Empfängers der Unterhaltsleistungen der Antrag des Gebers unabhängig vom Zeitpunkt der Zustimmung des Empfängers ein rückwirkendes Ereignis darstellt. Im Hinblick auf die zutreffende Besteuerung des Empfängers besteht hier ein Bedürfnis an der Rückwirkung des -im Übrigen nicht von diesem, sondern von dem Geber als Dritten gestellten- Antrags, weil ansonsten die im Gesetz angelegte materiell-rechtliche Korrespondenz zwischen dem Sonderausgabenabzug beim Geber und der Versteuerung als sonstige Einkünfte beim Empfänger bei einer bestimmten zeitlichen Abfolge von Zustimmung, Veranlagung und Antrag verfahrensrechtlich vereitelt würde.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall lag dem Kläger eine Zustimmungserklärung jedenfalls seit dem 30.12 2009 vor. Er reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 erst nach diesem Zeitpunkt -am 8.03.2010- beim Finanzamt ein. Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 20.04.2010 ist am 25.05.2010 bestandskräftig geworden. Ein Bedürfnis, den erst am 30.08.2010 gestellten Antrag auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben zurückwirken zu lassen, besteht vor diesem Hintergrund nicht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. August 2014 – X R 33/12


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